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Die Ampel-Regierung arbeitet offenbar daran, den ersten Digitalpakt für die Schulen zu beschleunigen und einen Digitalpakt 2.0 vorzubereiten. Sie tut das recht geräuschlos, aber immerhin hat Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger unlängst im Interview mit dem Tagesspiegel erklärt, dass es vorangehe. Was bei alledem bislang versäumt wurde, muss jetzt dringend angegangen werden: Die Politik, Bund und Länder, sollte Kitas als frühkindliche Bildungsorte beim Digitalpakt 2.0. mitdenken!

Ohne Frage ist die digitalgestützte Schulbildung und zugehörige Infrastruktur das zentrale Thema für ein zukunftsweisendes Bildungssystem. Denken wir an das Ziel des Digital-Pakts, bereits bei Grundschülerinnen und -schülern flächendeckend die für den Bildungsweg dringend notwendigen, digitalen Kompetenzen zu vermitteln. In der Realität läuft es drei Jahre später vielerorts noch immer analog im bundesdeutschen Schulsystem - und das trotz des coronabedingten, digitalgestützten Homeschoolings, welches ein Digitalisierungsschub für die Wissensvermittlung hätte bedeuten können.

Dass in dieser Zeit auch ein Homekindergartening stattfand, allerdings ganz ohne digitale Hilfe, wird leider vergessen. Warum? Weil wir digitalgestützte Bildung erst ab Grundschule denken. Und das ist vollkommen falsch! Doch jetzt haben wir die Chance, den Digital-Pakt 2.0 dort beginnen zu lassen, wo der Bildungsweg der allermeisten Kinder in der Bundesrepublik beginnt: 92,2 Prozent der Über-Dreijährigen besuchen – mit steigender Tendenz – eine Kita beziehungsweise die Kindertagespflege.

Kitas müssen offiziell zum Bildungssystem gehören

Zwar gelten Kitas mittlerweile als frühkindliche Bildungseinrichtungen, organisatorisch sind sie aber nicht Teil des Bildungssystems, sondern werden noch immer dem Kinder- und Jugendhilfesystem zugeordnet. Sie sind formal also nach wie vor der Betreuung verpflichtet, nicht der Bildung. Ich wünsche mir, dass sich diese Zuordnung für den Digitalpakt 2.0 organisatorisch ändert – und nicht nur dort. Kindertagesstätten müssen offiziell als Bildungseinrichtungen anerkannt werden, zum Bildungssystem dazugehören und entsprechende finanzielle Förderungen erhalten, um unserer Kinder willen und auch für die pädagogischen Fachkräfte. Denn Bildung fängt nicht erst in der Schule an!

Die Pädagoginnen und Pädagogen in Kitas leisten längst nicht mehr nur Betreuungs- und Erziehungsarbeit, sie forschen und entdecken, sie gärtnern und bauen, werkeln und spielen, schieben gemeinsam mit den Kindern Perlen auf den Rechenschieber und entdecken die Grundlagen der Informatik. Heutzutage fordert die Gesellschaft immer mehr Kompetenzen und Leistungen von den Pädagoginnen und Pädagogen in der frühkindlichen Bildung. Welche Chancen ergäben sich für die Kinder und Fachkräfte, wenn man Lernziele von Kita und Grundschule aufeinander abstimmen könnte.

Gleichzeitig würde man durch die Aufwertung der Kita zur Bildungseinrichtung auch der längst überfälligen Aufwertung des Berufsfeldes der Frühpädagogen Folge leisten, übrigens einer der größten Wachstumsmärkte für Arbeitsplätze in Deutschland. Laut Daten des Deutschen Jugendinstituts sind im vergangenen Jahrzehnt in der Kindertagesbetreuung mehr als eine Viertelmillion neuer Arbeitsplätze entstanden.

Kreativer und selbstbestimmter Umgang mit digitalen Medien

Studien belegen seit Jahren, dass die frühkindliche Bildung in Kitas die Grundlagen für eine erfolgreiche Bildungskarriere für Mädchen und Jungen legt, übrigens auch bei den heute und in Zukunft so dringend benötigenden MINT-Kompetenzen. In unserem Aufruf für den "Digitalpakt Kita" von 2021 fordern wir, dass pädagogische Fachkräfte in Kitas, genau wie die Kolleginnen und Kollegen in Schulen, die Möglichkeit erhalten, sich digitalgestützt weiterzubilden, zur Sprachförderung, zu MINT und auch zum Einsatz digitaler Medien im Bildungsalltag. Hierzu benötigen sie die technische Ausstattung – und zwar am Arbeitsplatz in der Kita. Sind Kitas mit digitalen Geräten und zugehöriger Infrastruktur ausgestattet, können alle Kinder, unabhängig ihrer sozialen Herkunft, die Chance erhalten, einen verantwortungsvollen, kreativen und selbstbestimmten Umgang mit digitalen Medien zu erlernen.

Mit dem Digitalpakt 2.0 sollten wir die Chance nutzen, Potenziale zu heben und den digitalgestützten Bildungsweg von Kindern zusammenzudenken, als kontinuierlichen, digitalgestützten Prozess von der Kita bis zum Schulabschluss. In Kitas wird die Grundlage für den weiteren Bildungsweg, inklusive des Verständnisses für Digitalität und dessen Nutzen, der Kinder, unserer Fachkräfte von morgen, gelegt.

 

(Dieser Beitrag von Michael Fritz, Vorstandsvorsitzender der Stiftung "Haus der kleinen Forscher", erschien am 24. August 2022 im Tagesspiegel.)

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